Wir wollen nicht meckern, sondern machen!

Im Gespräch mit den neu eingeführten Lektoren Albrecht und Petra Gölz

Werra-Meißner. Mit einem feierlichen Gottesdienst in der Burgkirche St. Bartholomäus in Herleshausen wurde das Ehepaar Gölz im Mai als Lektoren eingeführt. Im Gespräch erzählen sie von ihrer Ausbildung, ihren neuen Aufgaben und warum sie sich als Lektoren in der Evangelischen Kirche engagieren.

Was macht eigentlich ein Lektor, eine Lektorin in der Evangelischen Kirche?

Petra Gölz: Lektoren halten Gottesdienste in Vertretung für die Pfarrerinnen und Pfarrer. Damit unterstützen und entlasten wir sie in einer Zeit, in der Pfarrstellen gestrichen werden oder es an Nachwuchs für offene Stellen fehlt. Wir sind für die Gottesdienste verantwortlich, von der Liedauswahl bis zum Management drumherum: Wer spielt die Orgel? Wer macht den Küsterdienst? Welche Abkündigungen und Bekanntmachungen gibt es?

In den Kirchengemeinden, aber auch in vielen Vereinen fehlt es an Menschen, die Verantwortung übernehmen und sich einbringen. Was hat Sie dazu motiviert, diesen Schritt zu gehen?

Petra Gölz: Wir sind unser gesamtes Erwachsenenleben bereits in der Kirche aktiv, ich in der Kirchenmusik und mein Mann engagiert sich seit dem Jahr 2000 im Kirchenvorstand in Herleshausen. Uns ist es wichtig, dass trotz Pfarrermangels regelmäßig Gottesdienste stattfinden. Wir wollten nicht meckern, sondern machen, und haben uns für die Ausbildung zum Lektor entschieden. 

Albrecht Gölz: Wir haben schon in vielen Gottesdiensten mitgewirkt, zum Beispiel die Lesung gehalten. So sind wir ein Stück weit reingewachsen. Und wenn ich bald in den Ruhestand gehe, habe ich auch mehr Zeit. Ein wichtiges Motiv ist auch, zu unserem Glauben zu stehen. 

Was bedeutet es Ihnen, den Gottesdienst zu feiern und zu gestalten?

Albrecht Gölz: Richtig bewusst wurde es mir erst in der Ausbildung zum Lektor. Das macht etwas mit einem, da vorne zu stehen. Es ist eine andere Hausnummer, als die Lesung zu halten. Den Segen zu sprechen ist etwas ganz Besonderes – diese Kraft zu spüren und weiterzugeben. 

Petra Gölz: Sich auf einen Gottesdienst vorzubereiten, ist ein interessanter Prozess. Es gibt für Lektoren zwar eine vorbereitete Lesepredigt, aber wir beschäftigen uns länger als zwei Wochen damit, lassen den Text auf uns wirken und geben unsere Gedanken dazu. Als Lektoren halten wir uns an die vorgegebenen Abläufe. In der Ausbildung wurden wir jedoch ermutigt, uns mit unseren Neigungen und Gaben einzubringen. Mein Mann und ich halten die Gottesdienste gemeinsam. Manchmal halten wir eine Dialogpredigt, manchmal studieren wir mit der Gemeinde ein neues Lied ein, dann greif ich auch mal zur Gitarre. 

Was haben Sie in der neunmonatigen Ausbildungszeit gelernt? Und was erlebt?

Petra Gölz: Wir haben uns einmal im Monat getroffen, freitagsabends per Zoom am Computer und samstags vor Ort. In dieser Zeit haben wir von einer Logopädin Sprachtechnik gelernt, uns einen einen Tag lang nur mit dem Thema Segen beschäftigt, es gab Einheiten zur Bibelkunde, zum Gesangbuch und zur Kirchengeschichte. Das alles hat Kraft gekostet, war aber hochspannend und hat mir sehr viel gegeben. Ich freue mich auch schon auf die Weiterbildungen. Mir macht es einfach Spaß, mich da reinzuknien.

Albrecht Gölz: Ich war erstaunt, wie viele diese Ausbildung machen – auch viele junge Menschen. Es gab zwei Kurse parallel mit 12-15 Personen, einen in Kassel und einen in Bad-Hersfeld. Der Austausch mit den anderen war schön, wir waren eine gute Truppe. Weil alle weit verstreut wohnen, sind wir nur noch über eine Nachrichtengruppe per Smartphone verbunden. 

Herr Gölz, waren Sie der redensartliche „Hahn im Korb“?

Albrecht Gölz: Nein, mehr als ein Drittel der Teilnehmer waren Männer.

Sie haben Ende Mai Ihre Urkunden erhalten, wo werden Sie jetzt eingesetzt? 

Albrecht Gölz: Unser Einsatzort ist das Kirchspiel Herleshausen-Nesselröden, zu dem zehn Kirchen in fünf Kirchengemeinden gehören. Hier werden wir vor allem Gottesdienste halten. Theoretisch können wir aus dem gesamtem Evangelischen Kirchenkreis Werra-Meißner angefragt werden und sogar aus der Landeskirche Kurhessen-Waldeck. Nach unserem Probegottesdienst und der offiziellen Einführung im Mai ging es für uns am 7. Juli richtig los – mit drei Gottesdiensten an einem Tag: 9:30 Uhr in Unhausen, 11 Uhr in Willershausen und 18 Uhr in Markershausen!

Haben Sie jetzt noch Zeit für Hobbies und Familie? 

Albrecht Gölz: Ja sicher! Wir sind frei, Termine anzunehmen oder abzulehnen. Es gibt keine Vorgaben, wie viele Gottesdienste man halten muss, wenn man ein Lektorenamt übernimmt.

Petra Gölz: Diese Freiheit ist wichtig. Ich singe in zwei Chören, dann gibt es noch die Arbeit und den Alltag und unsere Kinder wohnen weiter weg … außerdem kommt bald das zweite Enkelkind auf die Welt. Dafür muss Zeit sein! Es gibt ja in unserem Kirchspiel noch vier weitere Lektoren und im gesamten Evangelischen Kirchenkreis Werra-Meißner sind es 63. 

Kann man mit dem Lektorenamt reich werden?

Albrecht Gölz: Das ist ein reines Ehrenamt. Für die Gottesdienste bekommen wir eine kleine Aufwandsentschädigung und eine Fahrtkostenerstattung. Die Ausbildung und Weiterbildungen werden von der Evangelischen Kirche bezahlt. 

Petra Gölz (schmunzelnd): Wir sammeln unsere Schätze im Himmel. Das Lektorenamt ist uns eine Herzensangelegenheit. Wer überlegt, ob das für ihn etwas wäre, soll es einfach ausprobieren. Es ist eine Horizonterweiterung, wir können das nur empfehlen!

Zur Person: Albrecht und Petra Gölz wohnen seit 26 Jahren in Herleshausen. Sie haben drei erwachsene Kinder und bald zwei Enkel. Sein Hobby ist Westernreiten, ihres die Kirchenmusik.

Text und Bild: Edith Hettwer

Gottesdienste leiten und gestalten

Als ehrenamtliche Mitarbeitende bringen sich Lektorinnen und Lektoren sowie Prädikanten und Prädikantinnen in die Gestal­tung und Leitung von Gottesdiensten ein. Diese beiden Ämter sind Ausdruck des evangelischen Selbstverständnisses und wurzelt im Priestertum aller Getauften.

Wer das gottesdienstliche Leben in seiner Gemeinde/ in ihrem Kirchspiel auf diese Weise mitgestalten möchte, kann sich für diesen Verkündigungsdienst im Studienseminar in Hofgeismar qualifizieren lassen. Voraussetzung für diese ehrenamtliche Tätigkeit ist die Freude an der Gottesdienstfeier. Die Teilnahme an der Ausbildung bedarf darüber hinaus einer Entsendung durch den Kirchenvorstand der Wohnort-Kirchengemeinde. Bei Interesse nehmen Sie bitte Kontakt zu Ihrer Gemeindepfarrerin/ Ihrem Gemeindepfarrer auf. 

Weiterführende Informationen zum Amt der Lektorin und zur Lektorenausbildung finden Sie hier: 

https://evangelisches-studienseminar-hofgeismar.de/lektor-innen.html

Über das Amt und die Ausbildung zum Prädikanten finden Sie hier nähere Informationen:

https://evangelisches-studienseminar-hofgeismar.de/praedikantinnen-praedikanten/index.html

Bild Taufe: Wolf-Arthur Kalden
Bild Trauung: Anke Schädel
Bild Gottesdienst: Ludger Arnold