Aktuelles aus der Kreissynode

Kreissynode nimmt Stellung zu den geplanten Kürzungen im Sozialbereich

Sa 27.09.2003
Die Kreissynode fordert die Landesregierung nachdrücklich dazu auf, die Kürzung der freiwilligen Leistungen im Sozialbereich zurückzunehmen und in einen Dialog mit den Betroffenen einzutreten. Die Erklärung der Synode hat folgenden Wortlaut:

Stellungnahme der Evangelischen Kreissynode Eschwege zu den von der Hessischen Landesregierung geplanten Kürzungen im Bereich der freiwilligen Leistungen

Die Hessische Landesregierung plant für das kommende Jahr Einsparungen im Sozialbereich in Höhe von 30 Mio. Euro. Im Werra-Meißner-Kreis sind davon mindestens fünfzehn Einrichtungen direkt betroffen, darunter auch viele Einrichtungen und Beratungsstellen des Diakonischen Werkes sowie die Evangelische Familienbildungsstätte in Eschwege. Insgesamt werden dort ca. 370.000,- Euro gekürzt. Die Höhe der ausfallenden Mittel ist in fast allen Fällen nicht durch Kürzungen im Bereich der Sachkosten auszugleichen und führt daher zu Einschnitten im Personalbereich. Die Etatkürzungen gefährden zwei Einrichtungen unmittelbar in ihrer Existenz: Den sozialen Stadtteilladen des Diakonischen Werkes auf dem Heuberg in Eschwege und die Schuldnerberatung der AWO. Alle übrigen Einrichtungen werden ihr Beratungs- Betreuungs- und Hilfeangebot z.T. erheblich einschränken müssen.

Am stärksten betroffen sind Personen, die nach christlichem Verständnis unseres besonderen Schutzes bedürfen: Junge Familien, Jugendliche, Menschen mit psychischen Erkrankungen und seelischen Behinderungen, Menschen in Berufs- und Wohnungsnot, Menschen, die ihre Herkunftsländer verlassen haben oder verlassen mussten und hier nur schwer Fuß fassen, Menschen in der Armuts- und Schuldenfalle und nicht zuletzt Frauen und Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt wurden. Außerdem betroffen sind Familien in Krisensituationen und Frauen, die sich um ihre Wiedereingliederung in das Berufsleben bemühen. Im vergangenen Jahr haben mehr als 5000 Personen die durch die Einsparungen betroffenen Einrichtungen mit der Bitte um Rat und Hilfe aufgesucht.

Die geplanten Kürzungen beschädigen das Netz sozialer Hilfen im Werra-Meißner Kreis schwer. Sie führen im Ergebnis dazu, dass Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten ausgegrenzt werden und bisher sozial integrierte Familien an den Rand der Gesellschaft geraten. Die in den Kürzungen zum Ausdruck kommende Politik gefährdet den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft und leistet der Polarisierung zwischen Wohlhabenden und Bedürftigen Vorschub. Für einen äußerst geringen Einspareffekt nimmt die Landesregierung eine andauernde flächendeckende Beschädigung der sozialen Infrastruktur in Kauf und wälzt die daraus entstehenden Kosten auf die Kommunen und Landkreise ab. Die von der Landesregierung gewählte Bezeichnung "Operation: Sichere Zukunft" muss von denen, die von den Kürzungen mittelbar und unmittelbar betroffen sind, als eine Verhöhnung verstanden werden.

Wir sind enttäuscht über die Art und Weise, wie die Sparbeschlüsse ohne Beteiligung möglicher Betroffener zustande kamen. Die Bereitschaft zur konstruktiven und gemeinsamen Arbeit an der Lösung der Finanzprobleme des Landes wird damit im Ansatz verhindert.

Die Kreissynode Eschwege missbilligt die in den Sparbeschlüssen zum Ausdruck kommende Politik; denn die Ausgrenzung benachteiligter und bedürftiger Menschen widerspricht dem christlichen Menschenbild und den elementaren christlichen Überzeugungen von Gerechtigkeit und (sozialem) Frieden. Als Christen bezeugen wir Gottes Zuwendung zu den Armen, Schwachen und Benachteiligten. Jesus Christus macht die endgültige Gottesgemeinschaft der Menschen abhängig von der gelebten Solidarität mit den Geringsten: "Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25,40).

Wir fordern die Landesregierung nachdrücklich dazu auf, die Kürzung der freiwilligen Leistungen im Sozialbereich zurückzunehmen und in einen Dialog mit den Betroffenen einzutreten.
Bernd Helbach, Dechant Christoph Steinert, Propst Reinhold Kalden und Karin Wendelborn waren Gäste der Synode

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